Montag, 14. Oktober 2024

Wahlzeit ist Austritts-, Wechsel- und Gründerzeit

Wahlzeit ist Austritts-, Wechsel- und Gründerzeit. Beispiele dafür gibt es genug und das quer durch Europa. Dabei geben sich die Protagonisten oft schon ein ganzes Jahr Vorlaufzeit. Ausgeschlossen von diesen Usancen sind natürlich autokratische Systeme à la Russland.

Beispiel eins: Sahra Wagenknecht. Im Januar dieses Jahres hat die Politikerin ihre Partei DIE LINKE verlassen und zusammen mit einigen Gesinnungsgenossen das Bündnis Sahrah Wagenknecht (BSW) gegründet. Natürlich will sie nach der Bundestagswahl am 28. September 2025 mit ihrer Partei in Fraktionsstärke ins dann sowieso zahlenmäßig verkleinerte Parlament (nach Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages vom 17. März 2023) einziehen. Man kann nur staunen: Da gründet sich jemand seine eigene Partei und hat damit auf Anhieb Erfolg. Die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben es bewiesen.

Beispiel zwei: Was die Etablierten können, können wir auch, hat sich der zehnköpfige Bundesvorstand der Grünen Jugend gedacht und hat kürzlich mit Trompeten und Posaunen ihre Mutterpartei Bündnis 90/ Die Grünen verlassen. Nachahmer haben nicht auf sich warten lassen. Komplette Vorstände der grünen Jugendorganisation sind aus der Partei ausgetreten: aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, dem Saarland, Schleswig-Holstein, Bayern, Brandenburg und Berlin. Das berichtet die Wochenzeitung der Freitag vom 10. Oktober 2024.

Das sind zwei Beispiele aus einer der gefestigtsten Demokratien Europas und sogar der Welt: also aus Deutschland. Doch auch jüngere Demokratien sind schon in solchen politischen Spielchen geübt: Austreten, Eintreten, neu Formieren und auf Parteiebene Neugründen – oft nur zu einem einzigen Zweck: Gewinn von je mehr Stimmen bei den nächsten Wahlen. Die Art der Wahlen ist nicht ausschlaggebend.

Als Beispiel sei hier Rumänien angeführt. Das Land ist seit der antikommunistischen Revolution im Jahre 1989 eine semipräsidentielle Republik, mit verfassungsmäßigen Anleihen aus der Weimarer Republik und/oder der französischen Fünften Republik, ist seit 2004 Mitglied der NATO und seit 2007 der EU. Wie auch immer, es war seit dem Entstehen der Demokratie politisch noch nie langweilig in dem Land an der Ostgrenze der EU und NATO. Regierungen kommen und gehen, Parteien tauchen auf und verschwinden recht bald wieder. Regierungskoalitionen implodieren mit einem riesigen Knall, wie erst vor ein paar Tagen, als die Nationalliberalen ankündigten, dass sie nicht mehr mit ihrem sozialdemokratischen Regierungspartner zusammenarbeiten wollen ... aber ohne dabei ihre Regierungsämter aufzugeben.

Am 1. Dezember 2024, dem Nationalfeiertag Rumäniens, wählen die Rumänen ein neues Parlament. Also ist es nach landesüblicher Usance angebracht, dass es mal wieder in der politischen Landschaft blitzt und donnert. Nicht genug damit: Am 24. November und/oder 8. Dezember (eventuell zweiter Wahlgang) wählen die Rumänen einen neuen Präsidenten. Klaus Werner Johannis‘ Amtszeit geht nach 10 Jahren Präsidentschaft zu Ende. Das will auch heißen, dass alle Bewerber um das Präsidentenamt sich auf verschiedene Art und Weise in Stellung bringen. Und dabei werden auch Namen nach oben gespült, die schon einige Zeit im politischen Wellengang untergetaucht waren. Zu ihnen gehört auch Victor Orban. Der Mann ist ein Profi. Er war vier Jahre lang (2017 - 2021) Vorsitzender der PNL (Nationalliberale Partei) und von November 2019 bis Dezember 2020 (Corona-Zeit) Premierminister Rumäniens. Und er weiß, dass man ohne eine politische Unterstützung kaum Chancen hat im Ringen um das höchste Amt im Staate. Er will es jetzt noch einmal wissen und Präsident Rumäniens werden.

Als erstes hat er jetzt ein liberal-konservatives Bündnis aus kleinen, mit zum Teil aus der Vorkriegszeit politisch historisch legitimierten Parteien zusammengeführt und sich von ihnen zum Präsidentschaftskandidaten küren lassen. Die zur Kandidatur nötigen 200.000 Wählerunterschriften hat er problemlos zusammengebracht. Es waren nach seinen Aussagen sogar 350.000. Das Bündnis nennt sich Alianța Forțelor de Dreapta Liberal-Conservator (Allianz der Rechten Kräfte – Liberal-Konservativ) und besteht aus den Gruppierungen Forța Dreptei (Kraft der Rechten) – eine von Ludovic Orban im Dezember 2021 gegründete Partei mit ca. 20.000 Mitgliedern, deren Vorsitzender er ist , PMP (Partei Volksbewegung), PNȚMM (Nationale Bauernpartei Maniu - Mihalache) und Alternativa Dreaptă (Rechte Alternative).

Beim Nominierungskongress dieser politischen Gruppierungen zur Wahl des gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten am 5. Oktober in Bukarest haben alle Vorsitzenden eine Ansprache gehalten. Obzwar es eine reine Wahlkampfveranstaltung war, ging es doch überraschend gesittet zu. Nur Adela Mîrza, die Vorsitzende der Alternativa Dreaptă verbreitete in ihrem Diskurs ein wenig Wahlkampfstimmung. Einige der anderen 14 Präsidentschaftskandidaten charakterisierend, kam sie auch auf den jetzigen Präsidenten Klaus Johannis zu sprechen: „Wir hatten einen absolut nicht anwesenden Präsidenten, Luxustourist auf Kosten der Steuerzahler, der er war und noch immer sein will – selbst er weiß nicht, was er noch sein will, aber etwas will er sein. Nachdem NATO und EU ihm die Türen mit einem „nein, danke“ zugeschlagen haben, denkt er daran, auch die Verfassung mit den Füßen zu treten und sich ein eigenes Gesetz zu schmieden. Wenn Herr Präsident so an seinem Präsidentenamt hängt, empfehlen wir ihm wärmstens die Präsidentenfunktion eines Golfklubs, Skiklubs oder Touristenklubs anzutreten.“ (Wer es glaubt wird selig, wer es nicht glaubt lebt ewig.)

Auch Ludovic Orban gab sich kämpferisch, blieb aber dabei immer staatsmännisch. Er verlangt eine Reform der Administration: „weniger Ministerien, weniger Agenturen, weniger Landkreise (județe), weniger Staatsfunktionäre“ und schließlich eine „Depolitisierung“ des gesamten Staatswesens. Irgendwie kamen auch Reminiszenzen an vergangene Zeiten auf, als der Redner in den Saal rief: „Ich will keine Informationsdienste mehr in politischen Parteien, in der Justiz, der Privatwirtschaft, in der Administration und in den Medien. Die Demokratie kann nur funktionieren, solange die Tentakel der Informationsdienste (servicii de informații) sich nicht parasitär in öffentlichen Institutionen breitmachen.“

Die Außenpolitik Rumäniens ansprechend, meinte der Präsidentschaftskandidat Ludovic Orban, der im Falle seiner Wahl auch Oberbefehlshaber der Armee würde: „Nicht wir haben uns Russland als Feind ausgesucht. Sie haben das so bestimmt. […] Im Laufe der Geschichte und auch in Zukunft kam und kommt die Gefahr für die Sicherheit Rumäniens von Russland. Dieses Land ist eigentlich unser Feind. Schon aus der Antike kennen wir den Spruch: Wenn du Frieden willst, musst du auf den Krieg vorbereitet sein.“

Mit diesem rumänischen Orban wären die EU-Granden in Brüssel bestimmt zufriedener als mit dem Orban aus dem Nachbarland Ungarn.

Anton Potche

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