Wahlzeit ist Austritts-, Wechsel- und Gründerzeit. Beispiele dafür gibt es genug und das quer durch Europa. Dabei geben sich die Protagonisten oft schon ein ganzes Jahr Vorlaufzeit. Ausgeschlossen von diesen Usancen sind natürlich autokratische Systeme à la Russland.
Beispiel eins: Sahra
Wagenknecht. Im Januar dieses Jahres hat die Politikerin ihre
Partei DIE LINKE verlassen und zusammen mit einigen
Gesinnungsgenossen das Bündnis Sahrah Wagenknecht (BSW)
gegründet. Natürlich will sie nach der Bundestagswahl am 28.
September 2025 mit ihrer Partei in Fraktionsstärke ins dann sowieso
zahlenmäßig verkleinerte Parlament (nach Wahlrechtsreform zur
Verkleinerung des Bundestages vom 17. März 2023) einziehen. Man kann
nur staunen: Da gründet sich jemand seine eigene Partei und hat
damit auf Anhieb Erfolg. Die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen
und Brandenburg haben es bewiesen.
Beispiel zwei: Was die Etablierten
können, können wir auch, hat sich der zehnköpfige Bundesvorstand
der Grünen Jugend gedacht
und hat kürzlich mit
Trompeten und Posaunen ihre Mutterpartei Bündnis 90/ Die
Grünen verlassen. Nachahmer
haben nicht auf sich warten lassen. Komplette Vorstände der
grünen Jugendorganisation sind
aus der Partei ausgetreten:
aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, dem Saarland,
Schleswig-Holstein, Bayern, Brandenburg und Berlin. Das berichtet die
Wochenzeitung der Freitag
vom 10. Oktober 2024.
Das
sind zwei Beispiele aus einer der gefestigtsten Demokratien Europas
und sogar der Welt: also aus Deutschland. Doch auch jüngere
Demokratien sind schon in solchen politischen Spielchen geübt:
Austreten, Eintreten, neu Formieren und auf Parteiebene Neugründen –
oft nur zu einem einzigen Zweck: Gewinn von
je mehr Stimmen bei den nächsten Wahlen. Die Art der Wahlen ist
nicht ausschlaggebend.
Als
Beispiel sei hier Rumänien angeführt. Das Land ist seit der
antikommunistischen Revolution im Jahre 1989 eine semipräsidentielle
Republik, mit
verfassungsmäßigen Anleihen aus der Weimarer Republik und/oder der
französischen Fünften Republik, ist
seit 2004 Mitglied der NATO und seit 2007 der EU. Wie
auch immer, es war seit dem Entstehen der Demokratie politisch noch nie langweilig in dem Land an der Ostgrenze der EU und
NATO. Regierungen kommen und gehen, Parteien tauchen auf und
verschwinden recht bald wieder. Regierungskoalitionen implodieren
mit einem riesigen Knall, wie erst vor ein paar Tagen, als die
Nationalliberalen ankündigten, dass sie nicht mehr mit ihrem
sozialdemokratischen Regierungspartner zusammenarbeiten wollen ... aber
ohne dabei ihre Regierungsämter aufzugeben.
Am
1. Dezember 2024, dem Nationalfeiertag Rumäniens, wählen die
Rumänen ein neues Parlament. Also
ist es nach landesüblicher Usance angebracht, dass es mal wieder in
der politischen Landschaft blitzt und donnert. Nicht genug damit: Am
24. November und/oder 8. Dezember (eventuell zweiter Wahlgang) wählen
die Rumänen einen neuen Präsidenten. Klaus
Werner Johannis‘
Amtszeit geht nach 10 Jahren Präsidentschaft zu Ende. Das
will auch heißen, dass alle Bewerber um das Präsidentenamt sich auf
verschiedene Art und Weise in Stellung bringen. Und dabei werden auch
Namen nach oben gespült, die schon einige Zeit im politischen
Wellengang untergetaucht waren. Zu ihnen gehört auch Victor
Orban. Der
Mann ist ein Profi. Er war vier Jahre lang (2017 - 2021) Vorsitzender
der PNL
(Nationalliberale Partei)
und von November 2019 bis Dezember 2020 (Corona-Zeit) Premierminister
Rumäniens. Und er weiß,
dass man ohne eine politische Unterstützung kaum Chancen hat im
Ringen um das höchste Amt im Staate. Er will es jetzt noch
einmal wissen und Präsident Rumäniens werden.
Als
erstes hat er jetzt ein liberal-konservatives Bündnis aus kleinen, mit zum Teil aus der
Vorkriegszeit politisch historisch
legitimierten Parteien
zusammengeführt und sich von ihnen zum Präsidentschaftskandidaten
küren lassen. Die zur
Kandidatur nötigen 200.000
Wählerunterschriften hat er problemlos zusammengebracht. Es waren
nach seinen Aussagen sogar 350.000. Das Bündnis nennt sich Alianța
Forțelor de Dreapta Liberal-Conservator (Allianz
der Rechten Kräfte – Liberal-Konservativ)
und
besteht aus den Gruppierungen Forța
Dreptei
(Kraft der Rechten)
– eine von Ludovic
Orban im Dezember 2021
gegründete Partei mit ca. 20.000 Mitgliedern, deren Vorsitzender er
ist ,
PMP
(Partei
Volksbewegung),
PNȚMM
(Nationale
Bauernpartei Maniu - Mihalache)
und Alternativa
Dreaptă
(Rechte
Alternative).
Beim
Nominierungskongress dieser politischen
Gruppierungen
zur
Wahl des
gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten
am
5. Oktober in Bukarest haben alle Vorsitzenden eine Ansprache
gehalten. Obzwar es eine reine Wahlkampfveranstaltung war, ging
es doch überraschend gesittet zu. Nur Adela
Mîrza,
die
Vorsitzende der Alternativa
Dreaptă
verbreitete
in ihrem Diskurs ein wenig Wahlkampfstimmung. Einige
der
anderen 14
Präsidentschaftskandidaten charakterisierend,
kam sie auch auf den jetzigen Präsidenten Klaus
Johannis
zu sprechen: „Wir hatten einen absolut nicht anwesenden
Präsidenten,
Luxustourist auf Kosten der Steuerzahler,
der
er
war
und noch immer sein will – selbst er weiß nicht, was er noch sein
will, aber etwas will er sein. Nachdem
NATO und EU ihm die Türen mit einem „nein, danke“ zugeschlagen
haben, denkt er daran, auch die Verfassung mit den Füßen zu treten
und sich ein eigenes Gesetz zu schmieden. Wenn Herr Präsident so an
seinem Präsidentenamt hängt, empfehlen wir ihm wärmstens die
Präsidentenfunktion eines Golfklubs, Skiklubs oder Touristenklubs
anzutreten.“
(Wer
es glaubt wird selig, wer es nicht glaubt lebt ewig.)
Auch
Ludovic
Orban gab
sich kämpferisch, blieb aber dabei immer staatsmännisch. Er
verlangt eine Reform der Administration: „weniger Ministerien,
weniger Agenturen, weniger Landkreise (județe),
weniger
Staatsfunktionäre“ und schließlich eine „Depolitisierung“ des
gesamten Staatswesens. Irgendwie kamen auch Reminiszenzen an
vergangene Zeiten auf, als der Redner in den Saal rief: „Ich will
keine Informationsdienste mehr in politischen Parteien, in der
Justiz, der Privatwirtschaft, in der Administration und in den
Medien. Die Demokratie kann nur funktionieren, solange die Tentakel der Informationsdienste (servicii de informații)
sich
nicht parasitär
in öffentlichen Institutionen breitmachen.“
Die
Außenpolitik Rumäniens ansprechend, meinte der
Präsidentschaftskandidat Ludovic
Orban,
der im Falle
seiner Wahl
auch Oberbefehlshaber der Armee würde:
„Nicht wir haben uns Russland als Feind ausgesucht.
Sie haben
das
so bestimmt. […] Im Laufe der Geschichte und auch in Zukunft kam und
kommt die Gefahr für die Sicherheit Rumäniens von Russland. Dieses
Land ist eigentlich unser Feind. Schon aus der Antike kennen wir den
Spruch: Wenn du Frieden willst, musst du auf den Krieg vorbereitet
sein.“
Mit
diesem rumänischen Orban
wären
die EU-Granden
in
Brüssel bestimmt zufriedener als mit dem Orban
aus dem Nachbarland Ungarn.
Anton Potche
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