Alexandru Bulucz: Aus sein auf
uns – Gedichte; Allitera Verlag, München, 2016, ISBN
978-3-86906-852-7; 64 Seiten; 9,50 EURO.
Klein, aber fein, könnte man zu
diesem Büchlein mit 32 Gedichten und zwei Prosastücken, einem
Postskriptum-Tagebuch, einem Inhaltsverzeichnis und einer Danksagung
an 25 Personen und zwei Literaturzeitschriften sowie mit einem
Nachwort sagen. Die Gedichte sind in vier Kapitel aufgeteilt. Das
wäre der Aufbau.
Wie fast immer bei Gedichten verhält
es sich etwas schwieriger mit dem Inhalt. Da bleibt für den Leser
genug Raum zum Interpretieren. Es gibt aber auch klare Hinweise auf
die Person Alexandru Bulucz. So zum Beispiel, wenn es in
Erinnerungen, Defragmentierungen etwa heißt: „Geboren im
Osten, im Westen des Siebenbürgischen Beckens, der Gebärmutter,
Eltern Musiker, Vater Gesang und Gitarre, Mutter Hausfrau und schrill
...“
Dem Verfasser
des Nachwortes, Referenzreich betitelt, Kristoffer Patrick
Cornils, ist aufgefallen, dass in diesen Gedichten viel vom
Essen, von der Nahrung überhaupt, die Rede ist. Das wird etwas mit
der Erdung des Dichters in der Heimatscholle zu tun haben – wenn er
etwa schreibt von den „transsilvanischen Äpfeln“.
Diese für den
Leser klaren Bilder werden von Kapitel zu Kapitel aber immer mehr von
Sprachgemälden abgelöst, für deren Deutung man sich Zeit nehmen
sollte … Um dann vielleicht doch weit weg vom Gedankenlabyrinth des
Dichters zu liegen. So gelangt man schon bei Kapitel 4 an, Unter
dem Pflaster die U-Bahn-Station, und kann sich in die
Tiefen oder Untiefen der deutschen Grammatik begeben: „Die
menschliche Bühne / erleichtert / um Eindeutigkeiten, / indem sie
nichts gibt oder sich / von links an das Beiwort / schleicht mit
einem Un. / Wie aus Sein, / nur aus sein auf uns!“
Off, off, off!
Alexandru Bulucz hat in Frankfurt am Main Germanistik und
Komparatistik studiert. Ich, sein Leser, habe in Temeswar
Textilmaschinenmechaniker gelernt. Wie soll das denn zusammenpassen?
Bei Kristoffer Patrick Cornils heißt es lapidar: „Es ist
ein Unding, dass ich das Nachwort zu Alexandru Bulucz‘ Aus
sein auf uns schreibe. […] Kurz: Ich sah in diesen
Gedichten keine Dinge, nichts Handfestes. Sondern Undinge.“ Ja, sag
einmal: Muss es das denn überhaupt, das mit dem „Handfesten“?
Lass sie doch fliegen, die Wörter … wie Satellitenstücke im
Weltall. Das war einmal ein Raumschiff. Frei fliegende Wörter. Das
waren einst Sätze, ja ganze Texte. Mutiger Leser, mach dir deine
eigenen Phrasen aus diesen umherschwirrenden Wortfetzen. Dann erlebst
du diese Gedichte wie vor Jahren der Lyriker, Essayist und Theologe
Paul-Henri Campbell. Der hat schon
2019 in der ersten Jahresnummer der österreichischen
Literaturzeitschrift VOLLTEXT einen nicht an Lob mangelnden Essay
über Alexandru Bulucz veröffentlicht. Nach einer eher
stürmischen Kindheit – Trennung der Eltern und Auswanderung in die
Bundesrepublik, „alleine in den Bus nach Deutschland gesetzt“ -
lernt er „die neue Sprache Deutsch, meistert sie virtuos, sodass
bereits seine frühesten Gedichte in der Frankfurter Zeitschrift
OTIUM zahlreiche Themen und Motive mit einer Wucht zum Ausdruck
bringen, die immer jenen expressiven Willen verraten, der mehr von
der Dichtung erwartet, als den nächsten Poesiewettbewerb der
Reifeisenbank zu gewinnen.“
Gewinnen kann
Alexandru Bulucz aber auch. Seinen letzten Literaturpreis, den
Deutschlandfunk-Preis, fuhr er 2022 bei den Klagenfurter
Bachmann-Literaturtagen ein. Dieses mal nicht für Lyrik, sondern für
einen gelungenen Prosatext: Einige Landesgrenzen weiter östlich,
von hier aus gesehen. Wie so oft lässt die alte Heimat grüßen.
Anton
Potche
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