Dienstag, 31. Dezember 2019

Dezember 2019 – Giarmata in den Medien

Nationalfeiertag mit „fasole cu ciolan“
aus ZiuaDeVest.ro, Timişoara / Temeswar; 02.12.2019
Die Bürgerschaft in Giarmata hat den rumänischen Nationalfeiertag – übrigens auch ein Tag der Vereinigung wie der deutsche – am 1. Dezember mit „Volksmusik und Bohnen mit Schweinshaxen“ gefeiert. Glühwein gab es auch. Gefeiert wurde im Quelle-Park (parcul Izvor). Virgil Bunescu hat in einer Ansprache gesagt: „Seid stolz, dass Ihr Rumänen seid, dass Ihr von Giarmata seid und aus diesem schönen Land, Rumänien genannt. Heute sind die Rumänen in alle Winkel der Welt verstreut und ich träume davon, dass sie eines Tages heimkehren, weil man sie hier in Rumänien braucht.“
+ + + Ich hun iwer mei Aldi gsaat, schau, der ruft uns zrick ... Kannst jo geh‘n, hot’s gsaat. + + +

Ein schwerer Verkehrsunfall am Nikolaustag
aus deBanat.ro; Timişoara / Temeswar; 06.12.2019
Ein Verkehrsunfall auf der A1 nahe der Anschlussstelle Giarmata mit drei beteiligten Fahrzeugen und insgesamt 10 Insassen hat zum Tode einer der Unfallopfer geführt. Die anderen wurden schwer verletzt in Krankenhäuser gebracht.

Trainerwechsel
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 09.12.2019
Fußball - Liga V Timiș – Serie I
 Die Fußballer von CS Comloșu Mare führen mit 11 Punkten Vorsprung die Tabelle in der Serie I der V. Liga Timiș an. Trainiert werden sie vom ehemaligen Giarmataer Couch Răzvan Leucă. In einem Interview sagte er: „Ich wurde von Herrn Ştefănescu (Bürgermeister von Comloșu Mare, A.d.V.) kontaktiert, nachdem er gehört hatte, dass man mich in Giarmata hinausgeschmissen hatte, und gefragt, ob ich die Mannschaft übernehmen würde. Ich habe die Bedingung gestellt, dass er mich die Mannschaft zusammenstellen lässt. Er war einverstanden und ich habe die Mannschaft seit dem ersten Spieltag übernommen. Die Spieler mit Charakter und Einsatzfreude haben wir behalten.“

Feldweg als Entlastung
aus ObservatorDeTimiș.ro, Timișoara / Temeswar, 09.12.2019
Ab sofort ist ein geschotterter Feldweg, der hinter Dumbrăvița von der Kreisstraße ab nach Giarmata führt befahrbar. Bürgermeister Virgil Bunescu ruft die Giarmataer auf, diesen Weg zu benutzen. Er ist allerdings nur geeignet für Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen, soll aber bald asphaltiert werden.

Giarmata wird in den öffentlichen Nahverker von Temeswar integriert
aus ObservatorDeTimiș.ro, Timișoara / Temeswar, 15.12.2019
Ab Februar 2020 wird Giarmata auch von den Bussen der Temeswarer Verkehrsgesellschaft SMTT angefahren. Mit einem Abonnement können dann die Bürger von Giarmata auch alle öffentlichen Verkehrsmittel in der Banater Hauptstadt benutzen. Die Verhandlungen mit der Transportgesellschaft haben sich in die Länge gezogen, weil der Giarmataer Bürgermeister Virgil Bunescu unbedingt Sonderkonditionen für Schüler, Studenten, Lehrer, Rentner und Behinderte aushandeln wollte. Das ist ihm auch gelungen.
+ + + Glickwunsch! Ich sin noch mi’m Adam in die Schul gfahr. Des is awwer schun sehr, sehr lang her. + + +

Vermisst
aus Renașterea.ro, Timişoara / Temeswar, 19.12.2019
Die Polizei fahndet nach der 14 Jahre alten Curalariu Adriana aus Giarmata. Das „155 bis 160 cm große Mädchen mit athletischer Statur“ war auf dem Weg zu einer Schule in Temeswar, ist dort aber nicht angekommen. Die Zeitung hat dieses Fahndungsfoto veröffentlicht und bittet die Bevölkerung um Hinweise an die Notrufnummer 112.
+ + + Das ist schon das zweite Mädchen aus Giarmata, nach dem die Polizei innerhalb von zwei Monaten sucht. + + +

Colinde – ein uralter rumänischer Weihnachtsbrauch
aus BanatulAzi.ro, Timişoara / Temeswar; 24.12.2019
Diese Internetsite widmet dem Zelebrieren des alten Volksbrauchs in Giarmata einen ausführlichen Bericht mit einer langen Fotostrecke und einem aussagekräftigen Video, das auch über YouTube aufgerufen werden kann. (https://www.youtube.com/watch?time_continue=997&v=tpIq_DmvqU4&feature=emb_logo )
+ + + Scheen, scheen! Ich kann mit dee Kinn un ehre Lehrerinne un Lehrer mitfiele. Ich moon awwer aah, die wäre all besser in der groß un leer katholisch Kerch ufghob. Sie breichte norr ehre Inventar iwer die Gass troon. Ich sin mer sicher, do driwer meecht sich sogar de Maurermaaster Johann Georg Müller gfreue, bevor sei Bauwerk zammfallt. + + +

Ein neuer Kinderspielplatz
aus FOAIA de GIARMATA, Timişoara / Temeswar; Dezember 2019
Zwei Themenschwerpunkte hat diese Dezember-Ausgabe. An einem Tag, und das war der 1. Dezember, der Nationalfeiertag Rumäniens, wurde ein neuer Kinderspielplatz im Tineretului-Viertel eingeweiht und im altehrwürdigen und im Sommer neu gestalteten Izvor-Park hat man den Nationalfeiertag mit viel Musik und Volkstanz gefeiert.
+ + +  Des neie Viertel leit am südöstliche Rand vun Giarmata, noch unner der Hannigass. Merr muss die Hinnereih nunner fahre, bis an’s neie Sportplatz. Dort is es. Ich moon, wann merr weider aus’m Dorf nausfahrt, kummt merr an die Referer-Brick ... Un do gebt’s jetz forr Neijohr noch zwaa Videos vun der Giarmataer Ruga im September. Es soll jo Leit gewwe, die känne vun Johrmark, asso Giarmata, gar net genuch krien. https://www.youtube.com/watch?v=jjKN8Sj1dA0&feature=emb_rel_pause // https://www.youtube.com/watch?v=lF0-Q1IKGZg .Ob Kerweih odder Ruga, ob Juni odder September, des is Wurscht: In Johrmark hot’s gereent un in Giarmata reents. + + +

Dienstag, 24. Dezember 2019

Weihnachten 2019

Weihnachten

von Kurt Tucholsky

So steh ich nun
vor deutschen Trümmern
und sing mir still mein Weihnachtslied.
Ich brauch mich nicht
mehr drum zu kümmern,
was weit in aller Welt geschiet.
Die ist den andern. Uns die Klage.
Ich summe leis, ich merk es kaum,
die Weise meiner Jugendtage:
O Tannenbaum!

Wenn ich so der Knecht Ruprecht wäre
und käm in dies Brimborium
- bei Deutschen fruchtet keine Lehre -
weiß Gott! ich kehrte wieder um.
Das letzte Brotkorn geht zur Neige.
Die Gasse grölt. Sie schlagen Schaum.
Ich hing sie gern in deine Zweige,
o Tannenbaum!

Ich starre in die Knisterkerzen:
Wer ist an all dem Jammer Schuld?
Wer warf uns so in Blut und Schmerzen?
Uns Deutsche mit der Lammsgeduld?
Die leiden nicht. Die warten bieder.
Ich träume meinen alten Traum:
Schlag, Volk, den Kastendünkel nieder!
Glaub diesen Burschen nie, nie wieder!
Dann sing du frei die Weihnachtslieder:
O Tannenbaum! O Tannenbaum

[1918]


Anton Potche

Berns Toni

Anton Delagiarmata

Mittwoch, 18. Dezember 2019

Die Egerländer uf’me neie Wech


De Ernst Hutter geht mit seine Egerländer Musikante neie Weche. Zumindest was es Produzeere un Vermarkte onbelangt. Die CD, wu im Herbst in die Gschäfter kumm is (es gebt sogar e LP – des is so e Art „vor in die Vergangenheit“ odder „zrick in die Zukunft“), haaßt Bleib Dir Treu !. Sie is zwar i’me etableerte Tonstudio ufgholl wor, awwer als Produzent fungeert die HutterMusic GmbH. Des haaßt, Die Egerländer Musikante sin jetz e Firma mi’me eigne Label, sie hun asso e eignes Ton- un Datenträgeretikett odder annerscht gsaat, e Markennome. Ich soon jetz mol so: Dee hot de Ernst Mosch net gebreicht, der war selwer Marke genuch. Awwer die Zeide ännre sich. Bleibt norr zu hoffe, dass des gut geht, weil merr kennt aah Fälle, do sin Leit mit ehrem eigne Label nei dorchgstart un prompt aus der öffentlich Wahrnehmung verschwunn. Ich uf jede Fall hun schun mol was zu der wirtschaftlich Stabilität vun der HutterMusic GmbH beigetraa un mer im Drogeriemark Müller die nei CD kaaft. Die misst eigentlich in 40, 50 Johr e Wertsteigerung erfahre, weil se die eerscht Egerländer-Produktion aus der eigni Firma is. Ich hun jetz 16,99 Euro gezahlt. Schau mer mol, was mei Kinn in 50 Johr, wann se die Scheib noh meim Tod verkaafe wolle, noch krien. Hoffentlich gebt’s dann aah noch Geräte, uf de wu merr CDs abspille kann.

Awwer des is Zukunftsmusik. Die richtich zeitgenössisch egerländer Blechmusik is uf der CD Bleib Dir Treu. Un ich muss schun soon, dass die 14 Sticker e gudi Mischung aus Tradition un Moderne sin. Un wann ich an Tradition denk, noo sin des Sticker wie Ich bin verliebt in deine schönen Augen, Eine stille Stunde odder Es war nur eine Romanze u.a. Wann ich awwer vun Moderne redd, noo denk ich vor allem an die jetziche Komponiste un net unbedingt an e neii Stilrichtung, die wu unser scheeni egerländer Blechmusik uf de Kopp stellt un irgend e Jazz- odder sogar Pop- un Rockmusik draus macht. Ich moon, do breiche meer Fans vun der egerländer Musik uns momentan ka Sorje mache, weil de Ernst Hutter schreibt im Begleitheft zu der CD: In der heutigen Zeit ist es mehr denn je notwendig, sich mit klarem Profil gegen den Mainstream zu positionieren.

Die Einstellung bringt jo aah schun de Titel Bleib Dir Treu ! zum Ausdruck. Des is e deitlichi Imperativform. Die Philosophie kennt aah die Definition: „unbedingt gültiges sittliches Gebot“. Un optisch ganz gut gemach, wann aah grammatikalisch net hunnertprozentich korrekt. Awwer wann ich mer denk, was die Dichtkunst heitzutach so alles erlaubt, noo geht des völlich in Ordnung. Ich moon die Großschrift un des abgsetzte Ausrufezeichen. Aah des is Kunst, würd ich soon. Un do is alles erlaabt, was Mensche zum Nohdenke onregt.

Des schafft die Musik uf der CD prima. Merr kann nohdenke un zrickdenke. Ich hun mich zum Beispiel gfroot, an was de Turmanns Nicki wohl gedenkt hot odder was er gfiehlt hot, wie er de Polka Heut’ spielen die Egerländer komponeert hot. Im Text vun dem Polka haaßt’s „Lass uns heute tanzen geh’n / es spielen die Egerländer!“ (Katharina Praher). Jetz waaß ich net, was es eerscht do war, de Text odder die Melodie. Was ich awwer waaß, is dass es schun in Johrmark ghaaß hot „Loss uns heit tanze gehn, / es spillt de Loris (odder de Safer)“. Un was hun die gspillt? Na was: böhmischi Blechmusik.

Es gebt uf deer Produktion aah e Polkalied vum Safersch Helmut: Genieß’ Dein Leben jeden Tag. Merr sellt sich die CD sowieso mi’m Booklet, asso em Begleitheft, in der Hand onhorche. Awwer net norr. Weil, wie gsaat, Die Egerländer Musikante gehn neie Weche un do dezu gheert aah e gscheider Internetuftritt. Wer uf ehre Seit geht, find dort e Video, uf dem wu de Safersch Helmut un’s Praher Kathi verzähle, wie des Musikstick iwerhaupt entstann is. (https://www.die-egerlaender.de/de/aktuelles/meldungen/geniess-dein-leben-jeden-tag.php )

Merr kännt iwer die eerscht Produktion unner dem neie, hauseigne Label wirklich noch vill verzähle. Un meistens norr Gudes. (Wann ich „meistens“ soon, noo moon ich demit norr, dass de Musikgschmack vun de Mensche jo sehr unnerschiedlich is, un was mer gfallt, annre Leit jo net aah unbedingt gfalle muss.) Mer is beim Horche, Lese un Schaue aah ufgfall, dass die Johrmarker Komponiste un de Ernst Hutter selwer gar nemmi zu de junge, asso de Nachwuchskomponiste, gheere. Do steht schun die nächst Generation in de Startlächer: Stephan Hutter un Sebastian Höglauer zum Beispiel. Un wer sich dee ehre Sticker uf der CD onheert, werd schnell feststelle, dass aah die sich un ehrem große Erbe, der böhmisch Blechmusik, trei geblieb sin. Des stimmt mich alles einserseits froh, macht mich awwer aah e bissje nostalgisch. Soll des vleicht etwas mit meim Alter zu ton hun? Verdammt! Sie wirkt un wirkt, die Musik uf der nei CD vum Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten.
Berns Toni

Montag, 9. Dezember 2019

Eine CD der Moderne mit ungewöhnlicher Volksmusik


Die Moderne ist eine der Zukunft zugewandte Kunstrichtung. Sie hinterlässt immer wieder ihre Spuren auch in der Literatur und Musik. Viel von ihr überlebt den Status des Zeitgenössischen nicht und bleibt vielleicht höchstens als Modeerscheinung in Erinnerung. Und trotzdem ist sie für den geistigen Unter- und Überbau jeder Kultur unerlässlich. Sie garantiert den Fortschritt, ermöglicht das Neue, macht uns hellhörig und hält uns geistig rege. Ein solches Kunstprodukt der Moderne ist eine kürzlich bei Coviello Classics erschienene CD. Sie trägt den etwas verstörenden Titel EL INMORTAL – Works for tuba, piano and harp. Die drei Protagonisten dieser Produktion sind Johanna Jung an der Harfe, Yasuko Kagen am Flügel und Siegfried Jung an der Tuba.

Es gibt viele Arten, Musik zu hören und zu genießen, was nicht immer dasselbe ist. Du kannst in ein Konzert gehen oder dir zu Hause Musik per Radio, Fernseher, LP, CD, USB usw. zu Gemüte führen. Zum Faktor Genießen kann auch ein gewisser Informationsgrad, ja auch tiefgründiges Wissen zu der betreffenden Musik gehören. Das Genre spielt dabei keine Rolle. Man kann sich ein solches Wissen über Konzerteinführungen (z. B. in Ingolstadt werden sie regelmäßig angeboten), Radio-Features wie etwa „Leporello“ bei BR Klassik, diverse Fernsehsendungen und, und, und aneignen. Wer es ganz genau wissen will, kann sich sogar Radiobiografien in mehreren Serien anhören und sich dabei ins Seelenleben so mancher Musikergrößen vertiefen. Oder du kannst einfach lesen, Vitas oder auch Booklets, sofern die einem gewissen Niveau entsprechen. Und genau das ist bei dieser Produktion der Fall: Das Booklet und die Musik bilden eine Einheit. Siegfried Jung kann nämlich nicht nur Tuba spielen, sondern auch Musikessays schreiben. Dieser Literaturgattung kann man – hie und da mit individuell geschmacklich bedingten Abstrichen – El INMORTAL, so auch der Titel seines Begleittextes, zueignen. Siegfried Jung schreibt in der ersten Person, als würde er einen von zu Hause abholen und mit ihm durch die Entstehungsgeschichte dieser Musikproduktion wandern. Nichts ist an den Haaren herbeigezogen, Jung klingt ehrlich in seinem Monolog und ermöglicht es dem Zuhörer und gleichzeitigen Leser, einen imaginären Dialog mit ihm als Verfasser des Textes zu führen. Das wiederum verschont den Verfasser aber auch nicht vor Widerreden. Ein Werk der Moderne muss das aber allemal aushalten.

Schon die einleitenden Sätze Jungs sind vielversprechend: „So verschieden die Werke dieser Produktion auch sind, sie haben eines gemeinsam: Es ist internationale Volksmusik vom Feinsten“. Einspruch. Bereits beim ersten Stück war mir (meinem Geschmack) klar, dass hier nicht von Hoagarten-, Bierzelt- oder Weihnachtsmarktmusik die Rede ist. Das ist Klassik der Moderne. In ungewöhnlicher Besetzung. Entstanden aus Länder und Kontinente übergreifenden Volksmusikinspirationen. Und es sind allesamt Auftragswerke. Auch das durchaus ein Charakteristikum der Moderne. Oder man könnte sich auch auf die Bezeichnung „gemäßigte Moderne“, die mir kürzlich im Feuilleton aufgefallen ist, einigen.

Auf jeden Fall kennt Jung alle Komponisten dieser Produktion persönlich. Er ist ihnen irgendwann irgendwo auf der Welt begegnet. Manchmal auch unter recht abenteuerlich anmutenden Umständen. Wir leben eben im Zeitalter der Moderne und ihrer Unkonventionalität. Auch Durchhalten ist eine Charakteristik dieser Stilrichtung. Mehr als zwei Jahre hat das Zustandekommen von EL INMORTAL in Anspruch genommen. Aber es hat sich gelohnt. Auch für Rezensenten. Denn Jung macht es ihnen leicht, ja, verleitet den einen oder anderen sogar zum fleißigen Zitieren. Davon will auch ich hier Gebrauch machen.

- Zum ersten und titelgebenden Stück, El Inmortale von Gerardo Gardelin, schreibt Jung: „Gerardo Gardelin bezeichnet den Tango als unsterblich. Wie modern man ihn auch immer verarbeitet, die Grundstruktur bleibt erhalten und als Tango identifizierbar.“ Dem ist so. Wer den Tango als Tanzrhythmus kennt, wird ihn auch hier unschwer erkennen.
- Willi März hat für Siegfried Jung und seine Frau Johanna einen „Ländler“ geschrieben (in Siegfried Jungs Banater Heimat gehörte der Ländler ins Repertoire jeder Kapelle), zu dem der Tubabläser in seinem Essay festhält: „März inszeniert sein Werk für Tuba und Harfe in sehr freier Harmonik, mit für den Landler typischen, in Dreiergruppierungen gegliederten Achtelbewegungen und einem kontrastreichen melodiösen Trio.“ Grotesker Landler heißt dieses Stück. Dass etwas Groteskes so schön sein kann, hätte ich mir nie gedacht.
- Zur Moderne, ob gemäßigt oder radikal, gehört auch die Kuriosität. Und die fehlt nicht auf dieser Einspielung. Zum dritten Werk heißt es: „Musikalisch und geografisch sehr weit von Deutschland und Argentinien entfernt befinden wir uns mit Corazón de la Fiesta für Tuba und Klavier, trotz spanischem Titel, in Japan.“ Der Komponist Yojiro Minami „lässt die Tuba durch japanische Volksweisen tanzen und legt größten Wert auf musikantische Spielweisen.“ Und wer hat seinen Spaß daran? Die Pianistin Yasuko Kagen und der Tubist Siegfried Jung.
- Viertes Stück. Dem ist nun wirklich der Volksmusikcharakter nicht abzuerkennen, ich würde gar sagen, das ist das einzige reine Volksmusikstück auf dieser Scheibe: Sabin PautzaJoc de doi din Banat. Und wie macht man das in einem Essay neugierigen Musikliebhabern (die Rumänen sprechen von „melomani“, aber auch von „melomanie“, worunter sie „Musikwut“ verstehen – uff) schmackhaft? Vielleicht so: „Das Banat liegt im Westen Rumäniens und war Teil des K&K-Reiches Österreich-Ungarn, wo es deutsche Ansiedlungen gab. Ich stamme von dort und pflege die Verbindung zu dieser Region, ebenso wie Sabin Pautza, der nach über dreißig Jahren aus den USA in seine Heimat zurückgekehrt ist und zu den bedeutendsten rumänischen Komponisten zählt.“ Er arrangierte „sein Werk für Tuba, begleitet von Harfe und Klavier auf meinen Wunsch“, schreibt Jung. Da haben sich anscheinend zwei gefunden. Das nennt man wohl generationenübergreifende Moderne. Der suchende, vorwärts strebende, junge Instrumentalist und der etablierte Komponist, dessen Name schon ein internationales Musikfestival in der rumänischen Stadt Reșița / Reschitza trägt.
- Und wenn wir schon in Südosteuropa sind, gehört sich auch ein ungarisches Werk ins Programm, denn nichts ist spannender als musikalische Grenzregionen. Jung erzählt uns von diesem Spannungsverhältnis zwischen friedlich und wild: „Angelehnt an den in Ungarn und Siebenbürgen beheimateten Csárdás mit seiner speziellen Dramaturgie von langsam (lassú) bis hin zu sehr schnell (friss) ist auch das Tempo in der Ungarischen Fantasie von Andrea Csollány zunächst sehr zurückhaltend, die Musik improvisiert sich gewissermaßen selbst.“
- Die Moderne erträgt auch Erzählungen aus der Vergangenheit, die großen Dramen des Individuums. My Bonny Land ist das musikalische Ergebnis einer solchen Geschichte. Wie der englische Komponist John Frith diese Geschichte polyfonisch (wenn auch nur mit zwei Instrumenten) erzählt, kann man am besten verstehen, wenn man Jungs Anmerkungen dazu liest: „My Bonny Land handelt von einer verzweifelten Frau, die sich bei einem Segler am Kai über den Verbleib ihres Ehemanns, der Fischer ist, erkundigt. Der Segler gibt ihr zu verstehen dass ihr Ehemann in einem grünen, aber nicht grasbewachsenen Grab liege und sie werde niemals neben ihm liegen können.“ Gute Musik erkennt man oft auch daran, dass sie in einem Erinnerungen wach rufen kann. So fiel mir bei dieser Geschichte und ihrer musikalischen Umsetzung ein in den Hohen Tauern miterlebtes Ereignis ein. Eine Bergbäuerin rief dem mit einer Wanderergruppe nahenden Ranger schon von weitem zu, er möge doch bitte seinen Feldstecher aufbauen und nach ihrem Mann Ausschau halten. „Da oben müsste er sein. Er ist schon so lange weg.“ Ich verspüre heute noch Gänsehaut, wenn ich daran zurückdenke. Es ging damals gut aus.
- Als siebentes Stück hat Jung zusammen mit Kagen eine American Fantasy „A Tribute to Stephan Foster“ von Michael Schneider eingespielt. Im Booklet erfahren wir Details über diese Komposition und auch so manches über die amerikanische Folk-Musik. Zur hier vorgelegten Bearbeitung für Tuba und Klavier heißt es, dass Schneider die Tuba „in den Melodien Fosters schwelgen“ lässt, aber auch das Klavier nicht zu kurz kommt und mit einer „eigenen Kadenz“ bedacht wird. Und schön, aber zu kurz kommt das seit 1848 in den USA gesungene, von Stephen Foster komponierte und längst zum Volkslied geadelte Oh! Susanna daher. Somit wären wir aber wieder bei der Volksmusik, wenn auch in einer klassischen Veredelung.
- Ähnliches gilt auch für das letzte Werk dieser Produktion. Willi März zeichnet für Dance agile und Siegfried Jung klärt uns auf, ohne belehrend zu klingen. „Mit dem Danse agile zeichnet Willi März ein im besten Sinne konventionelles Virtuosenstück im Charakter der Salonmusik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. [...] Es überrascht daher nicht, dass feurige Passagen, wie sie von der Musik des Balkans vertraut sind, mit eleganter, salonhaft französischer Harmonik, vor allem im ruhigen Mittelteil, kombiniert werden.“

Wer Musik als hochkarätigen Kulturakt und nicht nur als angenehme, im Hintergrund laufende Geräuschkulisse wahrnehmen will, sollte es vielleicht mal mit diesem Gesamtwerk aus Ton und Information versuchen. Man kann die CD über den Homepage-Shop von Siegfried Jung bestellen. (https://www.siegfriedjung.de/shop/ ). Im Handel wird die Scheibe ab Mitte Dezember, also noch rechtzeitig vor Weihnachten, vorrätig sein.
Anton Potche

Samstag, 30. November 2019

November 2019 – Giarmata in den Medien

Die Alte Gasse soll fertig werden
aus ObservatorDeTimiș.ro, Timișoara / Temeswar, 03.11.2019
FotoQuelle: ObservatorDeTimiș.ro
Weil eine Tiefbaufirma pleite gegangen ist, haben die Infrastrukturmaßnahmen in der Strada Bătrână sich um drei Jahre verzögert. 85% der Arbeiten sind abgeschlossen und der Rest soll in drei Monaten bewerkstelligt sein.
+ + +Wenn die Firma bis dann nicht insolvent ist. Die Hoffnung stirbt zuletzt, auch in Giarmata. + + +


Auch das Kulturheim soll fertig werden
aus ObservatorDeTimiș.ro, Timișoara / Temeswar, 04.11.2019
- Die Sanierungsarbeiten am Kulturheim sind schon weit fortgeschritten, kann man lesen. Bekämpft wird innen der Schimmel und im Keller werden „Hygenisierungsmaßnahmen“ vorgenommen. Auch die Bühne wird erweitert und das Dach ausgebessert. Dafür gibt die Gemeinde 500.000 Euro aus.
- Der Straßenverkehr ist mitlerweile auf der Landstraße zwischen Temeswar und der Autobahn A1 so dicht, dass man im Giarmataer Rathaus nach Ausweichrouten sucht, um zumindest für die Bewohner der Gemeinde einige Verkehrserleichterungen zu schaffen. Dazu hat man schon eine neue Zufahrtsstraße ins Dorf aus dem Süden bepflastert. Nachgedacht wird auch über eine Umgehungsstraße durch Cerneteaz und Covaci.
+ + + Das klingt alles ein bisschen so nach dem Bau von Umgehungsstraßen um Zufahrtsstraßen herum – und das durch Ortschaften. Dabei ist eine Umgehungsstraße doch als Ortsumgehungsstraße und nicht als Zufahrtsumgehungsstraße gedacht. Die Schildbürger lassen grüßen. + + +


Tradition in Giarmata
aus ZiarulTimişoara.ro, Timişoara / Temeswar; 07.11.2016
FotoQuelle: ZiarulTimișoara.ro
Der Ball für Senioren ist in Giarmata längst Tradition. Bürgermeister Virgil Bunescu hat der Zeitung eine ausführliche Stellungnahme zu der Veranstaltung gegeben. Er sagte unter anderem: „Unsere Senioren und Rentner sind Menschen, die ein Leben lang gearbeitet und ihre schöpferische und körperliche Kraft dafür eingesetzt haben, um die Gemeinde Giarmata, zu dem zu machen, was sie heute ist. [...] Es gibt einen rumänischen Spruch der sagt, wer keine Alten hat, soll sich welche kaufen. [...] Giarmata war immer eine der führenden Gemeinden im Banat, und das ist größten Teils den Menschen, zu verdanken, die wir auf dem Seniorenball gefeiert haben.“
Wie jedes Jahr gab es auch heuer viele Ehrungen. So wurden zum Beispiel die Paare mit den längsten gemeinsam verbrachten Ehejahren geehrt: Anda und Ioan Claici, Angela und Alexandru Pătruț, Ileana und Boris Tanasoglu, Maria und Alexandru Pătruț, Maria und Mircea Puca, Floare und Alexandru Todor, Sofia und Constantin Sere, Francisc und Valeria Bolog, Maria und Aron Suciu, Doina und Clement Humă, Elena und Mircea Onțanu, Viorica und Gheorghe Dincă, Elena und Alexandru Chița.
Virgil Bunescu ließ es sich auch dieses Mal nicht nehmen, für seine Mitbürger Volkslieder und Romanzen zu singen.
+ + + Hier gibt es eine lange Fotostrecke von dem Seniorenball in Giarmata: http://www.ziarultimisoara.ro/din-judet/5497-din-respect-pentru-seniorii-din-giarmata-si-cerneteaz + + + 

Wasserleitung für das Frühlingsviertel
aus ObservatorDeTimiș.ro, Timișoara / Temeswar, 10.11.2019
Das Frühlingsviertel wird an das Wasserleitungsnetz von Giarmata angeschlossen. Die umfangreichen Kanalisationsarbeiten sollen 8.736.340,18 Lei kosten. Die Gemeinde hat die Bewohner um Verständnis wegen den unausweichlichen Verkehrsbehinderungen gebeten.

Vermisst
aus ZiuaDeVest.ro, Timişoara / Temeswar; 14.11.2019

Die  15 Jahre alte Alexandra Davidovici war in Giarmata auf dem Weg zur Schule und ist dort nicht angekommen. Die Polizei hat dieses Foto des Mädchens veröffentlicht und bittet um Hinweise aus der Bevölkerung an die Telefonnummer 112.

Resultate im November
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 19.11.2019
Fußball – Munizipalmeisterschaft – Timișoara - 11. Spieltag
Millenium II Giarmata - CS Timi;ul Şag II  2:7
Tabellenplatz: 10  Millenium II Giarmata  4
+ + + Die zwatt Mannschaft vun Millenium hot imNovember noch so gspillt: CSȘ Bega - Millenium II Giarmata  6:3 + + +

Diebstahl in Giarmata
aus ObservatorDeTimiș.ro, Timișoara / Temeswar, 20.11.2019
Zwei Jugendliche, 18 und 22 Jahre alt, sind in Giarmata in ein Haus eingebrochen und haben einen Fernseher im Wert von 7000 Lei entwendet. Sie wurden aber gefasst und nach Temeswar zum Verhör gebracht.
+ + + Nicht nur Lügen, auch Stehlen kommt auf kurzen Beinen daher. + + +

Spiele im November
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 23.11.2019
 Fußball – D-Liga  – Timiș / Temesch  17. Spieltag
CSM Lugoj - CS Millenium Giarmata  3:0
Tabellenplatz: 15  CS Millenium Giarmata  14
+ + + Und das sind die anderen in diesem Monat erzielten Ergebnisse der ersten Mannschaft von Millenium: CS Millenium Giarmata  - ACS Carani  1:3. Die Torschützen der Giarmataer in dieser Hinrunde waren: Alexandru Vlăduţi (9 Tore), Raul Costescu (8), Radu Pârvulescu (3), Silviu Francescu (3) + + +

Ergebnisse im November
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 24.11.2019
Fußball - Liga V Timiș – Serie II – 15. Spieltag
 AS Jamu Mare - CS Unirea Cerneteaz  3:9
Tabelle: 6 Unirea Cerneteaz  23
+ + + So hat Unirea im November noch gespielt: AS Camaro Fibiş - CS Unirea Cerneteaz   2:4; CS Unirea Cerneteaz - AS Petroman  1:1 + + +

Colindători aus Giarmata
aus TION.ro, Timișoara / Temeswar, 25.11.2019
In der Banater Metropole Temeswar wird der Weihnachtsmarkt auf dem Victoria-Platz im Stadtzentrum abgehalten. Vom 1. bis zum 21. Dezember und dann wieder am 28. Dezember bieten viele Künstler Musik- und Brauchtumsprogramme dar. Der Ablauf sieht zum Beispiel am 21. Dezember wie folgt aus: 17:00  Uhr – „Die Weihnachtsliedersänger kommen wie früher“: Corala ,,Contrast“ und Petrică Moise, Weihnachtssänger (colindători) aus Giarmata und Pischia, Chevereşu Mare und Carani, Maria Petchescu, Maria Florea, Mariana Susca, Cosmina Bradean, Adrian Petcu, Felicia Costa u. a.. // 19:30 Uhr - Alexandra Cancel & Sebastian Dragomir // 20:00 Uhr - Mircea Rusu Band.

Führungswechsel am Kreiskrankenhaus in Temeswar
aus BanatulMeu.ro, Timişoara / Temeswar; 29.11.2019
Das größte Krankenhaus des Banats wurde seit 2014 von Dr. Marius Lucian Craina geleitet. Allseits werden dem engagierten Arzt (Gynekologe) und Manager hervorragende Leistungen bescheinigt. Leider hatte er jetzt, nach dem Sturz der Regierung Dăncilă, das verkehrte Parteibuch. Er ist Mitglied der gestürzten PSD und wurde sogar als Bürgermeisterkandidat für Temeswar gehandelt. Die nächste Kommunalwahl findet 2020 statt und der jetzige Amtsinhaber, Nicolae Robu, ist PNL-Mitglied. Die Nationalliberalen führen zurzeit die Regierungsgeschäfte in Bukarest, wenn auch nur in einer Minderheitsregierung. Der Rauswurf Crainas (vom Gesundheitsminister) schlägt hohe Wellen in der Stadt. Vor dem Krankenhaus haben sich Demonstranten versammelt und auch eine Online-Petition ist im Umlauf. Alles pro Craina.
+ + + Marius Lucian Craina wurde am 7. Oktober 1964 in Giarmata geboren. Wenn er der von mir Vermutete ist, dann kennen Generationen von heute in Deutschland lebenden Altjahrmarktern seinen Großvater als Schuldirektor in dieser Temescher Gemeinde. + + +

Thema Seniorenball
aus FOAIA de GIARMATA, Timişoara / Temeswar; November 2019
Diese Ausgabe ist exklusiv dem Seniorenball gewidmet. Zur Unterhaltung der Senioren traten Fuego (eigentlich Paul Surugiu, ein bei den älteren Semestern besonders beliebter Sänger), Brio Sonores, Elena Jurjescu, Vasile Conea und die Gruppe Sânziene Bănățene auf. Als Gäste aus der Politik werden Călin Dobra, Kreisratsvorsitzender, und der Kreisratsabgeordnete Eugen Dogaru genannt. Abgedruckt sind weiterhin einige Meinungen teilnehmender Seniorinnen und Senioren, die aber nicht mit ihren Familiennamen genannt werden wollten. Alle waren mit dem Gebotenen hochzufrieden: Eugenia (67 Jahre alt), Rozalia (87), Ecaterina (76), Iuliana (71), Dumitru (75).

Montag, 18. November 2019

Ein gutes Fundament

Jugendblaskapellen im Wettstreit

Zehn Jugendblaskapellen haben sich in der Ingolstädter Saturn-Arena zum Wettstreit getroffen. Eingeladen hat der Musikbund von Ober- und Niederbayern, Mitgliedsverband des Bayerischen Blasmusikverbandes, der laut eigenen Angaben „121.000 aktive Musiker, davon 48.000 unter 18 Jahren, vertritt“. Organisiert hat die Mammutveranstaltung (von 9:30 bis 17:30 Uhr) die Handwerkskammer für München und Oberbayern. Zu einem seriösen Wettbewerb, nicht nur in der Musik, gehört natürlich eine kompetente Jury. Der Jugendblaskapellenwettbewerb 2019 wurde von folgenden Juroren begleitet: Mia Aselmeyer (Hornistin Münchner Philharmoniker), Michaela Klahr (Landesjugendleiterin des Bayerischen Blasmusikverbandes), Franz Kellerer (Verbandsdirigent im Musikbund von Ober- und Niederbayern), Manuel Epli (Juror, Dirigierdozent) und Franz-Xaver Peteranderl (Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern). Die im Wettstreit angetretenen Kapellen waren in zwei Altersgruppen eingeteilt: AG I (Durchschnittsalter bis 16 Jahre) und AG II (bis 21). In der AG II waren nur zwei Kapellen angetreten. Man kann das durchaus auch damit begründen, dass viele Kinder ein Blasmusikinstrument erlernen, sich aber in der Pubertät anderen Musikrichtungen zuwenden oder ganz aufs Musizieren verzichten. Eigentlich schade, denn dieser Blasmusiksonntag hat vor allem eins gezeigt: Die Bläserausbildung liegt in Bayern (und ich nehme an, in ganz Deutschland) auf qualitativ hohem Niveau. Damit ist das Fundament für einen imponierenden Blasmusiküberbau eigentlich gelegt, ja mehr noch, für eine Bläserkultur, um die uns die Welt beneidet. Und trotzdem hätte ich mir mehr AG II-Kapellen gewünscht.

Es ging schon vielsagend los. Die Jugendkapelle Schwindegg begann ihr Programm (jeweils vier Stücke) mit einer Melodie aus dem Musical Das Phantom der Oper von Sir Andrew Lloyd Webber. Obwohl Alfons Braunhuber keinen großen Orchesterapparat dirigierte, gelang es ihm, einen ansprechenden Klang in die große Eishalle aus Ingolstadt zu zaubern. Er konnte sich dabei besonders auf eine wie ein Uhrwerk agierende Rhythmusgruppe verlassen. Das Applausbarometer zeigte nach dem letzten Stück die Zahl 84 an.

Die Johannesbläser Vilshofen sind ein größeres Blasorchester. Sie konnten mit ihrem Volumen ganz hervorragend zeigen, wohin der Geschmack der Jugend geht: Pop, Rock, aber auch Medleys mit verschiedenen Schlagern und Oldies. Ohrwürmer, die ältere Semester schwärmen lassen, beinhaltet zum Beispiel Kurt Gäbles Potpourri Spirit of 96. Regina Jungwirth dirigiert dieses Orchester mit großer Sicherheit und ohne ausschweifende Gesten. Eine angenehme Erscheinung: Orchester & Dirigentin.

Dann war sie da, die echte bayerische Trachtenkapelle, wie man sie weltweit kennt und millionenfach fotografiert und filmt: die Jugendkapelle Riegsee-Staffelsee. Und was spielt sie? Zünftige bayerische Blasmusik? Weit gefehlt. Auch hier werden Beach-Boys-Hits zum Besten gegeben. Dirigiert werden die Madels und Buben in Tracht von Maximilian Bach. Trend ist eben Trend. Dagegen kommt keiner an. Musikalisch war das, was die Kapelle bot aber eine „tolle Leistung“, wie einer der Juroren zusammenfasste.

Natürlich wollen die Zuschauer auch wissen, mit wem sie es auf der Bühne zu tun haben. Und dazu dient nicht nur ein Programmaushang. Der Moderator spielt hier eine wichtige Rolle. Und wenn der sogar vom Bayerischen Rundfunk kommt, ist es natürlich noch um eine Spur besser. Thomas Ohrner ist diesbezüglich eine Institution. Er hat sich um die richtige Kommunikation zwischen Publikum und Bühne sowie zwischen Jury und Orchester verdient gemacht. Kurze Interviews mit den Dirigenten und Bitten um ebenso kurze Stellungnahmen der Juroren zu den gespielten Stücken (natürlich ohne Bewertungen) lockerten die Wettbewerbsspannung doch erheblich auf und halfen die Orchesterwechsel zu überbrücken. Das ging auch der Dirigentin der Jugendkapelle Gelting – Poing nicht anders. Nach den Informationen zu ihrem Programm dirigierte Christine Westermair sehr souverän und animierte das Publikum zum Mitmachen. Die Polka Ho-Ruck-Bumm von Erwin Zsaitsits bestärkte mich in meiner Auffassung, dass die Repertoiregestaltung in Richtung moderner Musik übertrieben ist. (Übrigens schon seit Jahren.) Diese böhmisch angefärbte Polka ließ das Publikum sofort mitgehen, ganz ohne jedwede Animation. 

Als fünfte Kapelle betrat das Jugendblasorchester Fürstenfeldbruck das Podium. Und es war nicht die einzige Formation an diesem langen Blasmusiktag, die ohne Moderation von außen klarkam. Zwei Teenager moderierten gekonnt und trugen wohl so auch dazu bei, dass man bei der Jury von einer „guten Performance“ sprach. Angetan war man übrigens auch von der „Vollbeschäftigung“ der sieben Schlagzeuger. Bei einem Party-Dance-Mix ist das auch gar nicht verwunderlich. Eine Jurorin sprach nach dem Auftritt der Fürstenfeldbrucker Jugendmusikanten sogar von einem „Gesamtkunstwerk“. Paul Roh leitet dieses Bläserensemble.

Das numerisch größte Ensemble war die Stadtjugendkapelle Dachau. Ihr Eintritt in die Halle schien kein Ende zu nehmen. Und da wahren wirklich viele dabei, die kaum in die F-Jugend, wie es in der Fußballsprache heißt, passen würden. Es war auf der Bühne ein wahres Gewusel, bis da alle ihren Platz gefunden hatten. Wie Dirigent Michael Meyer mit diesem lebhaften Haufen zurecht kommt, bleibt sein Geheimnis. Auf jeden Fall wäre so mancher Fußballtrainer im Kinder- und Jugendbereich über so viel Disziplin auf dem Platz, hier Podest, hoch erfreut. Immerhin spielte dieses Riesenensemble Viva la Vida, Rolling in the Deep und Probierʼs mal mit Gemütlichkeit. Und wie! Und der Dirigent zeigte mit dem letzten Stück in seinem Programm, wo der Weg für diese musikfreudigen Teenys mal hinführen könnte. Er ließ zwei jugendliche Saxophonisten aus der Stadtkapelle Improvisationen zu Havanna spielen. Gänsehaut pur! Glückwunsch! (Applausbarometer: 104 - die höchste erreichte Zahl).

Auch die Jugendkapelle Grassau-Marquartstein-Reit im Winkl präsentierte einen Solisten. Mia Aselmeyer aus der Jury wirdʼs gefreut haben, denn der junge Mann spielte auf dem Horn. Dass hier mehrere Nachbargemeinden mit ihren Musikschulen zusammenarbeiten, sagt schon der Name der Kapelle. Eigentlich handelt es sich um die Musikschule Grassau mit Zweigstellen in Bernau am Chiemsee, Marquartstein, Reit im Winkl, Schleching, Staudach-Egerndach und Unterwössen. Und dort wird erfolgreich gearbeitet, wie man nach ihrem Auftritt feststellen darf. Ein Jurymitglied hob die „Strahlkraft an der Posaune“ hervor.

Wieder war sie da, die bayerische Seele. Heimat! Sie klingt aus Holz, Blech und Kehlen. Schön gespielt und schön gesungen: „Mein schönes Bayerland, dir bleib ich ewig treu.“ Erlaubt hat sich diesen Gefühlsausbruch die Jugendkapelle Schöngeising. Natürlich wurde auf den Rängen sofort mitgesungen und rhythmisch geklatscht. Auch die anderen Stücke haben auf eine seriöse Grundausbildung der hier musizierenden Jugendlichen hingedeutet. Das tiefe Blech klang sehr ausgewogen in den begleitenden Harmonien. Und weich, sehr weich. Schön! Diese Kapelle präsentierte sich auch mit einem Moderator aus ihrer Mitte.

Die Jugendblaskapelle der Marktkapelle Obernzell ist erst drei Jahre alt. Kaum zu glauben. Ihre Musik klingt sehr reif, ausgeglichen in allen Registern. Dazu kommt eine Moderation, in der sich zwei Jungs mit der Dirigentin, ja, fast zanken. Dieser lustige Generationenstreit in Sachen Musik ist auch ein kleiner, lustiger Familienzwist, sind Dirigentin und Mutter der Buben doch in einer Person verkörpert. Ein guter Einfall, war diese Moderation in drei auf jeden Fall. Andrea Pleyer heißt die couragierte, dirigierende Mutter.

Als letzte, trat die Jugendkapelle Eichstätt in den Ring. (Die Reihenfolge war ausgelost.) Dirigiert wird die zahlenmäßig große Kapelle von Sebastian Golder. Und der darf sich über außergewöhnlich talentierte und (wahrscheinlich) auch fleißige Einzelkönner freuen. Das bewies ein Posaunist mit einem berückend schönen Ton und einer virtuosen Technik. Der Konzertwalzer, den er spielte, zauberte zu fortgeschrittener Stunde noch einmal eine Mäuschenstille in die große Eishockeyhalle in Ingolstadt. Die Jury bescheinigte dem Orchester aus Eichstätt eine hervorragende Konzentration, obwohl die jungen MusikerInnen den ganzen Tag auf ihren Auftritt warten mussten.

Fotos: Anton Potche
Dann war es vollbracht, die Spannung abgefallen, und die Preise konnten vergeben werden. Natürlich ging keiner leer aus, denn laut dem Motto dieses Wettbewerbs hatten alle das „Spielen wie die Meister“ hervorragend beherzigt. Die Tabellenplätze werden für die Vereinsgeschichten überleben und die Juryentscheidungen in die zukünftige Arbeit der Dirigenten einfließen. Für den neutralen Zuschauer bleibt das Schlusswort Thomas Ohrners gültig: „Alle haben heute gewonnen!“ Und das Fundament für die deutsche Blasmusikpyramide ist stabil. Da kann man ruhig immer neue Steine bis hinauf zur Spitze einbauen.
Anton Potche